Cybercrime und Blutspritzer
Rückblick auf die Sachbearbeitertagung Cybercrime und die INFORMATIK 2021Über den Tellerrand hinaus
Als mich Ende August eine Einladung vom Tagungsleiter, mit der Bitte als Gastdozent zu referieren, erreichte, war ich zunächst ein wenig verunsichert. Dies lag hauptsächlich daran, dass der Bereich Cybercrime nicht unbedingt meinen täglichen Arbeitsalltag prägt. Sicherlich existiert ein Grundwissen, aber nicht in der Tiefe, um über aktuelle Forschungen und Entwicklungen vor Experten einen Vortrag halten zu können. Schnell war mir aber klar, dass dies auch nicht das Ziel sein sollte.
Vielmehr war es für mich selbst die Chance, über den sogenannten Tellerrand zu blicken, das eigene Personennetzwerk zu erweitern und anderen die Möglichkeit zu geben, Anteil an der eigenen Arbeit und Forschung zu nehmen. Nach kurzer interner Absprache und Kommunikation mit dem Tagungsleiter stand fest, über das aktuelle Forschungsprojekt COMBI zu referieren. Bereits am Telefon war die Neugierde des Tagungsleiters spürbar und auch ich freute mich sehr auf die drei Tage in Thale.
Das Projekt COMBI
„Der Juwelenraub im Dresdner Grünen Gewölbe und der Diebstahl der 100 Kilogramm schweren Goldmünze aus dem Bode-Museum in Berlin sind Beispiele dafür, dass die Möglichkeiten, Tatverdächtige auf Aufnahmen aus vorhandener Kameraüberwachung eindeutig zu identifizieren, begrenzt sind.
Obwohl Filmmaterial in beiden Fällen vorhanden war, ist dessen Wert für die Strafverfolgung eingeschränkt. Die Möglichkeiten eindeutige biometrische Daten aus den Gesichtszügen zu gewinnen, sind durch die Qualität der Bilder limitiert und eine Identifikation kann mit Masken oder Schals verhindert werden.
Um solche Verbrechen aufzuklären, müssen neue Methoden entwickelt werden. Biometrische Daten können nicht nur aus Aufnahmen des Gesichts gewonnen werden. Auch Besonderheiten des Bewegungsablaufs können die Identifizierung einer Person ermöglichen. In COMBI soll erforscht werden, ob und wie man Informationen aus Überwachungsfilmen gewinnen kann, die eine gerichtsfeste Identifikation von tatverdächtigen Personen anhand solcher Merkmale zulassen.“
Dies ist ein Auszug aus der Projektbeschreibung von COMBI, die „Computerbasierte forensische Bewegungsanalyse zur Identifizierung von Personen“, einem Verbundprojekt zwischen der Polizeidirektion Göttingen, der Hochschule Mittweida sowie der Deutschen Hochschule der Polizei, aus dem Programm Forschung für die zivile Sicherheit, Bekanntmachung: „Anwender Innovativ II – 2020/01“.
Das Projekt ist im Januar 2021 gestartet und ist planmäßig angesetzt bis Dezember 2022. Neben den erwähnten Verbundpartnern ergänzen wertvolle assoziierte Partner, wie das Bundeskriminalamt und die HKS Sicherheitsservice GmbH das Konsortium mit Expertise und Erfahrungen in einschlägigen Fachbereichen.
Zwei Tage Erfahrungsaustausch
In Thale angekommen, waren schnell neue Kontakte geknüpft und interessante Gesprächsthemen aus dem täglichen Alltag gefunden. Gefestigt wurde alles nach meiner Ankunft bei einem gemeinsamen Abendessen aller Tagungsteilnehmer in einem örtlichen griechischen Restaurant.
Am nächsten Tag wurde es endlich ernst. Ich selbst war der Dritte von drei Vortragenden, je einmal am Vormittag und einmal am Nachmittag. Aufgrund geltender Hygienemaßnahmen erfolgte die Tagung für zwei Gruppen separat.
Die Themen der Vortragenden vor mir waren allesamt spannend und ich freute mich, meinen Horizont, explizit im Bereich Cybercrime, erweitern zu können. Wie immer vor einem Vortrag, war ich ein wenig nervös, was sich aber schnell legte.
Beide Gruppen führten mit mir eine sehr konstruktive Diskussions- und Fragerunde, bei der ich über den aktuellen Fortschritt, geplante Umsetzungen, aber auch mögliche Hürden sprechen konnte. Von besonderer Bedeutung waren ebenfalls die Art und Weise der Datenerhebung sowie -verarbeitung mit speziellen Methoden und Vorgehensweisen, mit denen viele Kollegen bisher nur wenig Erfahrung sammeln konnten. Der meistgenannte Satz an diesem Tag war „Wir sind sehr gespannt auf die Endergebnisse des Projektes und die Einsatzmöglichkeiten in der polizeilichen Praxis.“
Diese Spannung teile ich sowie alle Kollegen des COMBI-Projektes. Ich verabschiedete mich mit dem Versprechen, im nächsten Jahr wiederzukommen und die bis dato erreichten Fortschritte im Projekt zu präsentieren. Das Ende der Tagung haben wir am zweiten Abend in gemütlicher Runde verbracht.
Motivierend, hilfreich und lehrreich
Ein Tatort, Blut und Informatik
Laut Veranstalter ist die INFORMATIK die offizielle Jahrestagung der Gesellschaft für Informatik e.V. (GI), der größten Vereinigung der Informatikerinnen und Informatiker im deutschsprachigen Raum, die jährlich an wechselnden Orten stattfindet. Im Jahr 2021 wurde die #INFORMATIK2021 vom 27.09. bis 01.10. online und in Berlin durchgeführt.
Für mich gestaltete sich die Tagung sehr vielfältig. Workshops, Keynotes und Panelgespräche zu Themen wie Digitale Kompetenz, Digital Literacy, Digital Skills, Advances and Gaps in Risk Information Management, Informatische Bildung in der Schule – Von Umsetzungskonzepten, Lehrkräftefortbildungen und Inhalten, sowie International Workshop on Digital Forensics (WDF) sind nur einige wenige Beispiele für die Vielzahl an dargebotenen Inhalten.
Blutspritzmuster rekonstruieren mögliche Tathergänge
Mein Beitrag bestand aus einer Einreichung mit dem Titel Hypothesis-driven Case Analysis in 3D-Space as a Support for Forensic Casework. (Lecture Notes in Informatics (LNI) – Proceedings Series of the Gesellschaft für Informatik (GI), Volume P-314, S. 835, ISBN 978-3-88579-708-1 , ISSN 1617-5468)
Die Arbeit befasst sich mit der hypothesengetriebenen Fallanalyse im dreidimensionalen Raum am Beispiel von Blutspritzmustern an einem konkreten Mordfall. In der Forschungsgruppe FoSIL erfolgte eine komplexe Aufarbeitung ebenjenes Falles, bei der alle zugrunde liegenden Daten analysiert, aufbereitet und dreidimensional dargestellt wurden, um mögliche Tathergänge zu rekonstruieren.
Netzwerken für die Zukunft
Mit dem Beitrag wollte ich einem wissenschaftlichen Auditorium ein Überblick über Möglichkeiten geben, klassische Ansätze und Vorgehensweisen der Forensik mit modernen Methoden der Fallarbeit zu kombinieren. Das Feedback der Teilnehmer beider Veranstaltungen war sehr positiv und vor allem konstruktiv. Insbesondere die Erweiterung des eigenen wissenschaftlichen Netzwerkes war für mich selbst von besonderer Bedeutung.