Lehren mit Persönlichkeit
Uns selbst verstehen, um unsere Studierenden besser zu erreichenWas macht uns eigentlich aus, wenn wir lehren?
Warum erreichen manche Dozierende ihre Studierenden mühelos, während andere trotz Fachkompetenz auf taube Ohren stoßen? Die Antwort liegt oft weniger im Inhalt als im Wer – also in der Persönlichkeit.
Diesem Thema haben wir (Jill Deschner- Warner und Monja Steinigke) unsere Peer-Group-Session (PGS) gewidmet, von der wir in diesem Blogbeitrag berichten möchten.
Persönlichkeit
Offenheit für Erfahrungen
Gewissenhaftigkeit
Extraversion
Verträglichkeit
Neurotizismus
Das DISC-Modell
Ein pragmatischerer Ansatz ist das DISG- oder DISC-Modell, das auf William Moulton Marston (1928) zurückgeht. Es kategorisiert Persönlichkeitsverhalten in vier Hauptdimensionen, die bei jedem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt sind:
- Dominanz – extravertiert, ergebnisorientiert, entscheidungsfreudig, durchsetzungsstark
- Initiative – kontaktfreudig, optimistisch, überzeugend, spontan
- Stetigkeit – ruhig, empathisch, hilfsbereit, harmoniebedürftig
- Gewissenhaftigkeit – strukturiert, präzise, sachlich, analytisch
Dominanz
Aufgaben-/Ergebnisorientiert |
Übernimmt Kontrolle |
Trifft schnell Entscheidungen |
Anspruchsvoll |
Unsensibel |
Initiative
Menschenorientiert |
Kontaktfreudig |
Optimistisch |
Teamorientiert |
Impulsiv |
Stetigkeit
Besonnen |
Verträglich |
Rücksichtsvoll |
Nachsichtig |
Unentschlossen |
Gewissenhaftigkeit
Kritisch |
Detailverliebt |
Strukturiert |
Diplomatisch |
Empfindlich |
Obwohl jeder Mensch alle vier Dimensionen in sich trägt, dominieren meist ein oder zwei deutlich.
Kritiker bemängeln, dass das Modell stark vereinfacht, sich ausschließlich auf Selbsteinschätzung stützt, auf überholten wissenschaftlichen Grundlagen basiert und nicht ausreichend validiert ist.
Auch wenn Menschen in der Realität komplexer sind und die strikte Denkweiße in vier Typen Schubladendenken fördern kann, bietet das DISC-Modell dennoch einen ersten Ansatz zu der Erkenntnis, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Arten der Kommunikation brauchen und bevorzugen.
Diese Einführung war Thema unserer PGS.
Kommunikation mit DISC-Typen
Anschließend fanden sich alle Personen mit derselben Farbe in Gruppen zusammen und bearbeiteten folgende Aufgabe:
„Dass alle Studierenden alles verstehen …“ – vervollständigen Sie diesen Satz.
Die Ergebnisse sorgten für einige Lacher:
Die „rote“ Gruppe, bekannt für ihren anspruchsvollen und direkten Stil, rief sofort nach der Aufgabenstellung in die Runde:
„… ist unrealistisch!“
Die „grünen“ Teilnehmenden ergänzten sanft:
„… das wäre schön, ist aber schwierig.“
Diese Übung zeigt eindrucksvoll: Unterschiedliche Typen kommunizieren auf unterschiedliche Weise.
Wer in der Lage ist, sich auf verschiedene Kommunikationsstile einzustellen, kann nicht nur die Zusammenarbeit produktiver gestalten, sondern auch stärkere und respektvollere Beziehungen aufbauen.
Die folgende Tabelle bietet einen Überblick über Dos and Don'ts in der Kommunikation mit den jeweiligen DISC-Typen.
Dos
Dominanz
Aufgaben-/ Ergebnisorientiert |
Sei direkt Kommuniziere kurz und knapp Vermeide Persönliches Sprich in Kernbotschaften |
Initiative
Menschenorientiert, Kontaktfreudig |
Erkläre es einfach/ bildlich Mach es einfach Biete Alternativen/ Möglichkeiten an Sei locker und optimistisch Zeige Begeisterung |
Stetigkeit
Besonnen, Verträglich |
Baue Persönliches ein Gib deinem Gegenüber Zeit, dräng ihn/sie nicht Baue Vertrauen auf Sei freundlich und Erkläre, was wie/ warum vorgeht |
Gewissenhaftigkeit
Strukturiert, Detailverliebt |
Bleib sachlich Nenne viele Zahlen und prüfbare Fakten Strukturiere gut Glänze mit Backgroundwissen |
Don'ts
Dominanz
Aufgaben-/ Ergebnisorientiert |
Vorsichtiges oder emotionales Auftreten Über Dinge reden, die mit der Sache nichts zu tun haben Unorganisiert wirken Mit sozialem Austausch beginnen |
Initiative
Menschenorientiert, Kontaktfreudig |
"Wilde" Ideen generell zurückweisen Barsch und kurz angebunden sein Detailversessenheit Lange Erklärungen Negative, pessimistische Äußerungen |
Stetigkeit
Besonnen, Verträglich |
Forderndes oder autoritäres Auftreten Druck, Hektik verbreiten Nicht aufmerksam sein Ausschließlich über Geschäftliches reden, ohne persönliche Note |
Gewissenhaftigkeit
Strukturiert, Detailverliebt |
Schlampig oder unorganisiert wirken ("Ich muss das eben noch raussuchen") Im Gespräch hin und her springen Small Talk |
DISC in der Praxis
Lehren mit Selbstbewusstsein
Den eigenen Stil an die Studierenden anpassen
Einige praxisnahe Beispiele aus unserer Session:
- Eine Lehrperson mit hohem I-Anteil (Einfluss) bevorzugt vielleicht spontane Diskussionen und dynamische Gruppenarbeit. Doch für Studierende mit einem stärkeren C- (Gewissenhaftigkeit) oder S-Profil (Stetigkeit) kann dieses spontane Vorgehen unstrukturiert und überfordernd wirken. Eine klarere Struktur und transparente Erwartungen schaffen hier Ausgleich.
- Ein S-Typ (Stetigkeit) bringt viel Einfühlungsvermögen mit, tut sich aber eventuell schwer, sich in einer unruhigen Gruppe durchzusetzen. Das frühzeitige Erkennen dieses Musters kann helfen, im Vorfeld Strategien zu entwickeln, um mit Freundlichkeit, aber auch klaren Grenzen zu führen.
Zusammenarbeit im Kollegium verbessern
Was kommt als Nächstes
Aus Erkenntnis wird Handlung
Zum Abschluss der Session erstellten wir eine ganz persönliche „To-do“-Liste – mit konkreten Maßnahmen, wie wir DISC im Alltag anwenden wollen. Keine bloße Zusammenfassung, sondern ein individueller Aktionsplan.
Dazu gehörten unter anderem:
- Eine Vorlesung so überarbeiten, dass sie sowohl strukturierte Inhalte als auch offene Diskussionen enthält
- Bewusst langsamer sprechen, um verschiedenen Verarbeitungsgeschwindigkeiten gerecht zu werden
- Reflektieren, welche Verhaltensweisen von Studierenden bei einem selbst Frust auslösen – und warum
- Gruppenarbeiten so planen, dass sowohl extrovertierte als auch introvertierte Studierende profitieren
Diese „Hausaufgabe“ half, die Brücke zwischen Theorie und Praxis zu schlagen.
Abschließende Gedanken
Diese Session war weit mehr als das Kennenlernen eines neuen Tools. Es ging darum, sich selbst besser zu verstehen. Das DISC-Modell erinnert uns daran: Gute Lehre folgt keinem festen Schema. Sie ist zwischenmenschlich, flexibel – und tief persönlich.
Als Lehrende (und als Menschen) gehen wir oft stillschweigend davon aus, dass unsere Art zu lehren auch die beste Art zu lernen sei. DISC stellt diese Annahme behutsam in Frage. Es lädt uns ein, die Studierenden dort abzuholen, wo sie stehen – ohne dabei uns selbst zu verlieren. In dieser Balance können lebendige, anpassungsfähige und menschliche Lernräume entstehen.