Only good vibrations?
Was die Schwingungen einer globalen Luftströmung mit Extremwetterereignissen zu tun habenJetstream
Das Thema „Jetstream“ begegnete mir das erste Mal, als ich gebeten wurde, an der Hochschule Mittweida eine Ringvorlesung zum Thema „Klimawandel“ zu halten. Das war 2021. Seitdem taucht der Begriff immer wieder in den Wettervorhersagen zahlreicher Fernsehsender auf, um zu erklären, warum ein Sommer über viele Tage gleichbleibend brütend heiß ist oder extreme Regenmengen nur in bestimmten Regionen niedergehen.
Auch in meiner Vorlesung zum Thema Klimawandelfolgen spielt der Jetstream als ein sogenanntes Kippelement im Klimasystem eine wichtige Rolle. Kippelemente sind großskalige Bestandteile des Erdsystems (z.B. Luft- oder Meeresströmungen), die bei steigender Erderwärmung durch nur kleine zusätzliche Störungen von einem für die Menschheit günstigen Zustand in einen neuen ungünstigen Zustand kippen können.
Klimasimulationen zeigen, dass für den Jetstream dieses Kippen bereits bei einer Erderwärmung von 1,5 bis 2°C zu erwarten ist. Das ist (leider) der Bereich, in dem sich die globale Durchschnittstemperatur im Moment bereits bewegt. Im Gesamtzeitraum von Juli 2023 bis Juni 2024 wurde die 1,5°C-Marke 13 Monate infolge überschritten. [12] Das Zeitfenster, um die Erderwärmung durch die Eindämmung der CO2-Emissionen zu stoppen, schließt sich rapide. Das wird immer deutlicher sichtbar - gerade, wenn man die ansteigende Häufigkeit der Extremwetterereignisse betrachtet.
Der Jetstream - das unsichtbare Band
Die grundlegenden Prozesse zur Entstehung des Jetstream, dem windigen Förderband für Hoch- und Tiefdruckgebiete, sind lange bekannt. Aufgrund des Temperaturunterschieds zwischen der kalten Arktis und dem warmen Äquator entsteht in etwa zehn Kilometern Höhe ein Luftstrom vom Äquator in Richtung Arktis. Dieser gleicht die temperaturbedingten Druckunterschiede zwischen den beiden Erdteilen aus. [1], [2], [3], [8]
Durch die Rotationsbewegung der Erde fließt die Luft aber nicht geradlinig in Richtung Arktis. Sie wird durch die sogenannte Corioliskraft seitlich abgelenkt, so dass die Luftmassen parallel zum Äquator strömen. Der so entstehende Wind wird Jetstream (deutsch: Strahlstrom) genannt. Er transportiert das Wettergeschehen in einem Ring über der nördlichen Erdhalbkugel von Westen nach Osten. Die Ausbeulungen des Jetstream entstehen dabei durch die unterschiedliche Aufheizung von Landmassen, Gebirgen und Ozeanen. [3], [4]
Corioliskraft
Die Corioliskraft ist eine Kraft, die auf Teilchen (z.B. Luftteilchen oder Luftströmungen) wirkt, die sich in einem rotierenden System (z.B. der Erde) nicht parallel zur Rotationsachse (z.B. der Erdachse) bewegen. Wenn Luftteilchen vom warmen Äquator zum kalten Nordpol („nach oben“) strömen, wird ihre Bewegung nach rechts abgelenkt. Sie bewegen sich also nicht gerade auf den Nordpol zu, sondern werden durch die Corioliskraft von West nach Ost abgelenkt. Das bewirkt, dass die Ausgleichströmung vom Äquator zu den Polen, mehr oder minder perfekt, parallel zum Äquator verläuft.
Auf der Südhalbkugel wird die Luft, die vom Äquator zum Südpol (nach „unten“) fließt, übrigens nach links abgelenkt.
Aber ist das wirklich mit dem Klimawandel zu erklären?
Machine-Learning
Kein einfacher Ursache-Wirkungs-Mechanismus
Wir sind also auch in Europa unweigerlich mit den Geschehnissen in der weit entfernten Arktis verbunden. Ein Abschmelzen der Polkappen bringt bei weitem nicht „nur“ einen Anstieg des Meeresspiegels mit sich, sondern wirkt sich darüber hinaus deutlich auf das Wettergeschehen im Mitteleuropa aus. Winter- und Frühjahresdürren wie 2022/2023 im Süden Frankreichs und Spaniens [10], die Probleme bei der Energieversorgung und massive Ernteeinbußen verursachten, oder Fluten durch extremen Regen, wie diesen September in Mitteleuropa [11], könnten mit einem abgeschwächten Jetstream deutlich häufiger auftreten als bisher.
Es ist deshalb wichtig, zu verstehen, dass unsere Erde aus einem System miteinander verbundener Faktoren besteht, dass deutlich komplexer ist als ein einfacher Ursache-Wirkungs-Mechanismus. Das versuche ich den Studierenden in meinen Lehrveranstaltungen immer mitzugeben. Der Jetstream, und das, was die Kolleg:innen vom Alfred-Wegner-Institut nachgewiesen haben, ist dafür nur eines der vielen Beispiele, aber spiegelt dennoch die umfassenden Auswirkungen des menschlichen Handelns sehr gut wieder.